Mit Guy Ravet unterwegs im Waadtland

Hochwertige Zutaten und feinste Weine sind aus der Küche des 19-Punkte-Spitzenkochs nicht wegzudenken. Dafür steht Guy Ravet auch schon mal ganz früh am Morgen auf und fährt los zu seinen Lieblingsproduzenten in der Region.
 

18. März 2022

L’Isle im Waadtländer Jura, 8 Uhr früh. Die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die Bäume. Guy Ravet, Sternekoch aus Vufflens-le-Château am Genfersee, hat schon einige Kilometer hinter sich und besucht hier Roland Clivaz in seiner Produktionsanlage. Der 65-Jährige züchtet Forellen. «Weil das früher eine Mühle war, existiert das Nutzungsrecht für das Wasser seit über 1000 Jahren», erklärt er gut gelaunt. Seit 1965 nutzt seine Familie das Wasser für die Fischzucht. Und seit Jahren bezieht Guy Ravet Fische von hier. «Die Qualität der Forellen ist aussergewöhnlich», erklärt der Sternekoch. «Das Wasser macht den Unterschied», betont Monsieur Clivaz. Und der Umstand, dass die Fische Zeit zum Wachsen haben. «Bei uns dauert es 17 und nicht bloss 12 Monate, bis eine Forelle 350 Gramm schwer ist», erklärt Clivaz. 

 

Vier Jahre Geduld, die sich lohnen 
Bis eine grosse Lachsforelle von Clivaz in Handarbeit zu Graved Lachs verarbeitet werden kann, braucht es drei bis vier Jahre Geduld. «Die Tiere dürfen nicht zu viel Fett ansetzen, sonst schmeckt das Endprodukt nicht», sagt Roland Clivaz. Die Leidenschaft für seine Zucht bringt der Mann mit Mütze und Gummistiefeln mit einem einleuchtenden Satz auf den Punkt: «Es ist kalt hier draussen, wir haben viel Arbeit, aber es ist schön!»

Forellenzucht

Guy Ravet zu Besuch bei Forellenzüchter Roland Clivaz (rechts).

Weinkeller

Önologe Rodrigo Banto (links) entwickelt die «Collection Ravet».

Stéphane Décotterd

Beschenkt mit einer Kiste Gemüse: Grandes-Tables-Mitglied Stéphane Décotterd.

Eigene Kollektion mit 13 Weinen
Der Abschied in L’Isle war herzlich. Die Fische liegen im Kofferraum. Und Guy Ravet fährt nun weiter Richtung Lac Léman. In Morges steigt der Ambassador von Mercedes-Benz hinunter in einen Weinkeller. Seit 30 Jahren produziert Ravets Familie in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Önologen Rodrigo Banto im Cave de la Côte eigene Weine. «Die Idee meines Vaters war ursprünglich, in der eher für Massenproduktion bekannten Region La Côte hochwertige Weine herzustellen. Heute diskutieren wir unsere Ideen mit Rodrigo, er setzt sie dann im Keller um», erzählt Ravet.

 

Banto, der seit 2003 mit den Ravets zusammenarbeitet, führt durch die weitläufigen Keller-, Herstellungs- und Abfüllanlagen. Hier entwickelt er 13 verschiedene Weine – vom edlen Chardonnay aus dem Barrique bis zum Schaumwein, hergestellt nach der Prosecco-Methode in speziell druckfesten Stahltanks. In einigen der riesigen Stahltanks ist ein feines Summen, gewissermassen die Melodie des Jahrgangs 2021, zu hören. «Der Klang entsteht bei der Fermentation, wenn durch die Vergärung CO2 gebildet wird und entweicht», erklärt Banto.

 

Eine Kiste Gemüse für den Berufskollegen
Der Wein ist verstaut und es geht weiter nach Villars-Sainte-Croix. Etwas unromantisch in einem Gewerbegebiet hat die Firma Léguriviera SA ihren Sitz – bekannt für hochwertiges Obst und Gemüse. Neben Guy Ravet zählen auch andere Spitzenköche zur Kundschaft. Einer von ihnen ist Stéphane Décotterd, für den Ravet hier eine Kiste mit Dill, Lattich und Trauben mitnimmt. Und schon geht die Fahrt weiter.

 

Endstation der Tour de Vaud ist Glion, oberhalb von Montreux. Guy Ravet steuert das Restaurant Maison Décotterd an. Beim Aussteigen beeindruckt das Panorama aus glitzerndem Genfersee und französischen Alpen. In der hiesigen Ecole hôtelière internationale werden die künftigen Eliten der Tourismus- und Luxusindustrie ausgebildet. Stéphane Décotterd ist verantwortlich für Bar, Bistro und Gourmetrestaurant im Haus. Die beiden Spitzenköche sind nicht nur Kollegen, die sich auch mal eine Kiste Gemüse vorbeibringen. Ravet ist auch Präsident der Vereinigung Les Grandes Tables de Suisse, zu deren engagierten Mitgliedern Décotterd schon lange gehört. Der revanchiert sich für das Gemüse und den Freundschaftsbesuch mit einem Lunch: Es gibt gebeizte, confierte Lachsforelle mit Verjus, Korianderöl, Lattich und Korianderbutter, Rehrücken mit Rotkraut und Safran-Rosinen-Brioche sowie eine leichte Granny-Smith-Variation. Das frühe Aufstehen hat sich für Guy Ravet definitiv gelohnt.

 

 

Autor des ursprünglichen Textes: David Schnapp

Alle Bilder: Thomas Buchwalder