Zwar erweist sich die Klimabilanz des Elektroautos gegenüber konventionellen Antriebskonzepten als deutlich überlegen. Dennoch ist es bis zu null Emissionen noch eine weite Reise.

28. November 2023

Mit dem CO₂-Tieferlegen geht es künftig ans Eingemachte: Die stimmberechtigte Bevölkerung der Schweiz hat entschieden, dass das Land bis 2050 unterm Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen soll. Auch in Deutschland, dem Heimatstaat des Mercedes-Benz Konzerns, wurden die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Bereits im Jahr 2030 sollen die Emissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken. Da versteht es sich von selbst, dass auch der Verkehrssektor mit einem aktuellen Anteil von gut einem Drittel der CO₂-Emissionen massgeblich zur Klimawende beitragen muss. Und dabei geht es um weit mehr als nur um die Elektrifizierung des Antriebs.

«Take-Make-Waste»-Praxis war gestern
In bisherigen linearen Wirtschaftsmodellen dominierte die Praxis von «Take-Make-Waste». Dabei werden Rohstoffe abgebaut (take), um daraus Produkte herzustellen (make), die verkauft, konsumiert und am Ende weggeworfen werden (waste). Ein Handeln ohne Zukunft, da es allein schon die Sicherheit der Rohstoffversorgung ernsthaft gefährdet. Im Bestreben, die Nachhaltigkeits- und Klimaziele ganzheitlich umzusetzen, erfindet sich die Autoindustrie zurzeit komplett neu. Das neue Ziel heisst Kreislaufwirtschaft, oft auch «zirkuläre Strategie» genannt. Die Lebenszyklusanalyse der Fahrzeuge sowie die Steuerung und Kontrolle der Lieferketten sind hierbei wesentliche Instrumente.

Umweltcheck und nachhaltige Bauteile

Den Blick auf den gesamten Lebenszyklus eines Autos hat Mercedes-Benz nicht erst seit kurzem. Die Marke rechnet vielmehr seit 2005 die Emissionswerte von Fahrzeugen in detaillierten Umweltbilanzen vor, die jeweils von einem externen Kompetenzzentrum zertifiziert werden. So wurde etwa die Umweltperformance des neuen Mercedes EQE SUV bereits bei dessen Entwicklung berücksichtigt. Seine aus zehn Modulen bestehende Lithium-Ionen-Batterie beispielsweise macht mit ihrer neuartigen Zellchemie einen grossen Schritt in puncto Nachhaltigkeit: Der Kobaltanteil der enthaltenen chemischen Substanzen beträgt nur noch zehn Prozent.

Nach dem Scheitern der Globalisierungs-Methodik, Rohstoffe und Komponenten immer dort einzukaufen und fertigen zu lassen, wo sie am billigsten sind, halten nun intelligentere Wirtschaftsmodelle Einzug. Kreislaufwirtschaft beginnt heute schon bei der Konzeption von Produkten. Auch in dieser Disziplin beweisen Fahrzeuge mit dem Stern Vorbildcharakter. So stammen exakt 132 Bauteile des Modells EQE mit einem Gesamtgewicht von 65,1 Kilogramm anteilig aus Kunststoffrezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen.

Stahl mit weniger CO₂

Mehr als die Hälfte des Gewichts eines Automobils geht aufs Konto des Vorprodukts Stahl. Auch wenn durch Erdgas befeuerte Hochofen-Prozesse immer wieder optimiert wurden, entstehen mit diesem konventionellen Verfahren pro Tonne des verarbeiteten Roheisens fast 1,5 Tonnen CO₂. Einen wirklich grossen Schritt zur Verbesserung dieser CO₂-Bilanz macht Mercedes-Benz bereits seit 2015 in der Zusammenarbeit mit dem US-Stahlhersteller Steel Dynamics, Inc. Neuster Meilenstein: Für sein Produktionswerk in Tuscaloosa, Alabama, bezieht Mercedes-Benz seit Herbst 2023 jährlich mehr als 50 000 Tonnen CO₂-reduzierten Stahl, der in einem zu 100 Prozent mit Ökostrom betriebenen Elektrolichtbogenofen hergestellt wird. Die Emissionen sinken dadurch auf rund 1 Tonne CO₂ pro Tonne Stahl.

Batterieproduktion – Achillesferse des E-Autos

Beim Elektroauto konzentriert sich alles auf die regenerative Stromerzeugung, sowohl bei der Herstellung der Fahrzeuge und ihrer Batterien als auch bei ihrem Betrieb. Die Gewinnung und Aufbereitung wertvoller Batterierohstoffe wie Lithium, Mangan, Nickel und Kobalt verursachen sehr hohe CO₂-Emissionen – als Richtwert gelten 100 Kilogramm pro Kilowattstunde Batteriekapazität. Werden die Akkuzellen ausschliesslich mit Ökostrom hergestellt und verwendet man zur Herstellung recycelte Rohstoffe, dürfte daraus etwa eine Halbierung der CO₂-Emissionen resultieren. Seit 2021 setzt Mercedes-Benz CO₂-neutral produzierte Batteriezellen ein. Damit allein wird der CO₂-Rucksack der gesamten Batteriefertigung um rund ein Drittel erleichtert. Die neue Batterie-Recyclingfabrik von Mercedes-Benz in Kuppenheim wird ab 2024 Rückgewinnungsquoten von mehr als 96 Prozent ermöglichen. Zudem wird vor dem Recyceln einer Batterie stets ihre Wiederverwendung angestrebt.

Kontrolle der Lieferketten

In der CO₂-Bilanz der Produktion machen die Emissionen aus der gesamten Lieferkette – und nicht nur der Batterien – den grössten Teil aus. Die genaue Kenntnis der Herkunft und der Herstellungsbedingungen aller Rohstoffe und Produkte ist ein Schlüsselmoment, um überhaupt Rechenmodelle für ökologische und soziale Auswirkungen von wirtschaftlichen Prozessen zu erfassen. Derzeit haben rund 90 Prozent der Lieferanten von Mercedes-Benz bereits zugesichert, bis 2039 nur noch klimaneutral hergestellte Materialien anzuliefern. Nachzulesen sind diese und weitere Meilensteine im Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens.

Einsparungen bei der Logistik

Verbunden mit der allgemeinen Praxis der Autohersteller, Tausende von Zulieferfirmen zu beauftragen, ist ein enormes Transportaufkommen – am Ende auch für den Vertrieb der fertigen Produkte. Doch auch hier tun sich neue Wege auf: So will Mercedes-Benz seine Fahrzeuge ab 2027 mit neuartigen Segelschiffen aus Europa in die USA transportieren. Das Beispiel zeigt: Wer grosse Schritte machen will, tut gut daran, eine Vielzahl von Teillösungen umzusetzen.

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