Balz Oertli: ein halbes Jahrhundert Freundschaft mit der S-Klasse

Balz Oertli ist mehr als ein Mercedes-Benz Fan: Er ist ein S-Klasse-Kollektor. Und das seit 50 Jahren, ohne es eigentlich zu wollen. Wir haben ihn mit der neuesten S-Klasse besucht.


18. Januar 2021


Es gibt die Business-Class, die First-Class und es gibt die S-Klasse. «Sie war und ist immer noch die Krönung der Stuttgarter Automobilkunst», ist Balz Oertli überzeugt. Der 78-Jährige fährt seit 50 Jahren S-Klasse – erst aus pragmatischen Gründen.
Als Co-Direktor eines Grosshandelsunternehmens war Balz Oertli während seines Berufslebens geschäftlich viel unterwegs. Dafür brauchte er ein zuverlässiges Auto. «Für mich waren zwei Sachen wichtig: acht Zylinder und eine Klimaanlage. Das fand ich 1971 nur in der ersten S-Klasse.» Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die 2021 ein halbes Jahrhundert alt wird. «Die S-Klasse war das ideale Fahrzeug für meine Geschäftsreisen nach Deutschland und Italien. Total fuhr ich über eine Million Kilometer. Ich genoss den Komfort auf den langen Reisen und kam stets entspannt an.» 

 

So kam es zur Sammlung 

Seine erste S-Klasse ist bis heute in seinem Besitz geblieben. «Als ich nach 100 000 Kilometern das neue Modell (W116) kaufte, war es einfach zu schade, das ausgemusterte Fahrzeug (W108) zu verkaufen.» So kam eine S-Klasse zur nächsten. Die gut gewartete Sammlung wuchs mit jeder Modellreihe. Am Ende waren es vier Generationen Limousinen, zwei Generationen Coupés und einige Spezialmodelle mit interessanten Vorbesitzer-Geschichten.
 

Eines von Oertlis Prachtexemplaren: der blaue Mercedes-Benz W108 280 SEL 3.5 (Jahrgang 1971).

Eines von Oertlis Prachtexemplaren: der blaue Mercedes-Benz W108 280 SEL 3.5 (Jahrgang 1971).

Auch das Interieur des Fahrzeugs ist in einem Top-Zustand.

Auch das Interieur des Fahrzeugs ist in einem Top-Zustand.

Das Inferno

«Leider zerstörte ein Brand den Grossteil meiner Original-Sammlung», erzählt Balz Oertli mit leiser Stimme. Die Oldies standen in einer Halle in einem alten Industriebetrieb, der über Nacht niederbrannte. Dazu gehörten unter anderem ein Mercedes-Benz S 500 L, ein Direktionsfahrzeug, das einst einen bekannten Schweizer Bankier chauffierte. Ebenso musste sich der Pensionär verabschieden von einem Mercedes-Benz 500 SEL, einem Mercedes-Benz Carat Duchatelet sowie seinem Lieblingsfahrzeug, einem dunkelgrauen 500 SEL, mit dem er rund eine Viertelmillion Kilometer gefahren war. Und so weiter und so trauriger. Das war 2015 – man spürt beim Zuhören, wie sehr ihn dieser Verlust bis heute schmerzt.

 

Ein weiteres Prachtstück aus der Sammlung von Balz Oertli: der Mercedes-Benz 560 SEL (Jahrgang 1991).

Ein weiteres Prachtstück aus der Sammlung von Balz Oertli: der Mercedes-Benz 560 SEL (Jahrgang 1991).

Fahrbereit und in einem makellosen Zustand: das Innere des Mercedes-Benz 560 SEL.

Fahrbereit und in einem makellosen Zustand: das Innere des Mercedes-Benz 560 SEL.

Wiederaufbau 

Zum Glück ist nicht die ganze Sammlung des S-Klasse-Kollektors Opfer des Infernos geworden. Ganz besonders ein Trio ist interessant hinsichtlich der Modellgeschichte: Es handelt sich um einen 500 SE aus dem Jahr 1981, einen 500 SEC (mit Original-Natel-C) sowie einen 500 SLC. Nebst der identischen Farbe wurden die drei unterschiedlichen S-Klasse-Modelle innerhalb von nur drei Monaten produziert. Wie alle Fahrzeuge von Balz Oertli sind auch diese drei Perlen jederzeit fahrbereit. «Darauf achte ich sehr!» Nicht nur darauf – alles an seinen Mercedes-Benz S-Klassen ist original und von Profis gewartet. «Ich selbst habe zwei linke Hände», lacht der sympathische Zürcher. Ihn begeistert das Fahren dieser Ikonen. «Jedes Mal, wenn ich in einer meiner S-Klassen sitze, bin ich tiefenentspannt», philosophiert Balz Oertli. Es ist dann nicht nur ein Stück Automobilgeschichte, die er spazieren fährt, sondern ein Teil seiner persönlichen Lebensgeschichte, die reich an Anekdoten ist. Zum Beispiel jene über ein ganz besonderes Auto, einen Monteverdi Tiara.

 

Der Schweizer Luxus-Mercedes

Aus Balz Oertlis Sammlung ging auch einer von drei Prototypen in Flammen auf, die Geschichte geschrieben hatten. Auf Basis eines Mercedes-Benz 500 SEL sollte der Basler Autobauer Peter Monteverdi ein Modell entwickeln, das zu dem werden sollte, was heute Maybach ist: eine Luxus-Version von Mercedes-Benz Modellen.

 

Balz Oertli konnte sich einen dieser Prototypen sichern, das andere Exemplar fuhr Paul Berger, der Lebensgefährte des verstorbenen Peter Monteverdi, selbst. Nach dem Verlust von Oertlis Exemplar liess sich Monteverdis Lebensgefährte überreden, sein Fahrzeug zu verkaufen. Über den Kaufpreis will Oertli nicht reden. Es geht ihm weder um Geld noch Prestige, sondern einfach um die Faszination, die von der Krönung der Automobilkunst ausgeht. 


Und wie reagiert Balz Oertli auf die neue S-Klasse? Unsere Einladung zu einer Ausfahrt lehnt er angesichts des Schneefalls dankend ab. Aber vielleicht im Sommer? Denn die neue S-Klasse ist erneut die Krönung all dessen, was man von einer S-Klasse erwartet. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

An der Wohnzimmerwand hängt die «Family» von Balz Oertli.

An der Wohnzimmerwand hängt die «Family» von Balz Oertli.