«Künstliche Intelligenz wird die Mobilität der Zukunft prägen»

«It’s a smart world» war das Motto des diesjährigen Kongresses der League of Leading Ladies (LLL), der teils physisch in Interlaken und teils digital stattfand. Sabine Scheunert, Vice President Digital & IT Sales/Marketing Mercedes-Benz Pkw, gewährte den rund 160 Teilnehmenden interessante Einblicke in die Smart Mobility von heute und morgen. Wir haben sie zum Interview getroffen.

21. Juni 2021

Frau Scheunert, aktuell ist viel die Rede vom autonomen Fahren in der Zukunft. Welche Rolle spielen künstliche Intelligenz (KI) und Daten heute schon in unserer Alltagsmobilität?

Grundsätzlich wird KI immer wichtiger. Sie ist längst keine Science-Fiction mehr. Beim autonomen Fahren kommt beispielsweise in der Bilderkennung im Bereich des Machine Learning künstliche Intelligenz zum Einsatz. Bereits jetzt revolutioniert KI die User Experience in unseren Produkten und Services. Nehmen wir unseren virtuellen Sprachassistenten «Hey Mercedes», ein Bestandteil des Infotainmentsystems MBUX (Mercedes-Benz User Experience): Bereits heute können Sie sich mit Ihrem Mercedes-Benz auf Augenhöhe unterhalten. Sie können Ihrem Auto sämtliche Fragen rund ums Fahrzeug sowie zur Marke und zum Unternehmen stellen. Auf die Frage etwa «Wie kann ich ökonomischer fahren?», wird Ihnen Ihr Mercedes-Benz eine kluge Antwort geben, die Ihnen hilft, künftig ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu fahren.

Keine andere Innovation als KI hat in den letzten Jahren die Bedienung eines Automobils so radikal vereinfacht. Doch auch ausserhalb des Autos gibt es zahlreiche KI-basierte Kundenapplikationen – bestes Beispiel ist unsere EQ-Ready-App, mit der Kundinnen und Kunden ganz einfach virtuell und realitätsnah Elektromobilität im Alltag ausprobieren können. Dank intelligenter Analysefunktionen erfahren sie, ob das eigene Fahrverhalten «elektro-kompatibel» ist. Oder aber unser neues Ökosystem MO360, das via künstlicher Intelligenz in der Produktion unter anderem dafür sorgt, dass wir die Qualität unserer Fahrzeuge weltweit auf dem gewohnt sehr hohen Niveau sicherstellen.


Wo wollen Sie und Ihre Fachleute für Mercedes-Benz Akzente in Sachen Smart Mobility setzen?

Unser neuer EQS setzt sicherlich ganz neue Massstäbe im Hinblick auf intelligente Mobilität. Angefangen bei der Sekundenschlafwarnung von ATTENTION ASSIST über das Park-System INTELLIGENT PARK PILOT bis hin zum DRIVE PILOT, mit dem der EQS bei hohem Verkehrsaufkommen oder in Stausituationen auf geeigneten Autobahnabschnitten in Deutschland bis 60 km/h hochautomatisiert fahren kann. Smart Mobility schliesst für uns aber auch die sogenannte Car-to-X-Kommunikation ein. In der Stadt der Zukunft fahren vernetzte Autos autonom und «unterhalten sich» miteinander – und «reden» mit Ampeln, Gebäuden oder Radfahrerinnen und Radfahrern. Autos werden in der Lage sein, Gefahren zu erkennen. So sorgt die Digitalisierung für mehr Sicherheit im Strassenverkehr. Mithilfe intelligenter Vernetzung können Autos in Sekundenbruchteilen untereinander kommunizieren – um etwa Glatteis-Warnungen zu geben an andere Mercedes-Benz Fahrer in der Umgebung oder an die kommunale Strassenmeisterei, so wie in unserem Pilotprojekt mit dem schwäbischen Zollernalbkreis.


Letztendlich geht es nicht nur um das Fahrerlebnis auf der Strasse, sondern auch um das digitale Kundenerlebnis. Was macht Mercedes-Benz in dem Bereich schon gut? Und wo wollen Sie noch besser werden?

Wir stellen die Kundinnen und Kunden und ihre Bedürfnisse konsequent in den Mittelpunkt. Unsere Kundinnen und Kunden wollen heutzutage jederzeit und überall mit ihrer Lieblingsmarke in Kontakt treten können. Manchmal sogar im Auto, wenn sie am Steuer sitzen, wie das Beispiel «Hey Mercedes» zeigt. Wussten Sie, dass bereits heute fast jeder Autokauf in der digitalen Welt startet? Bis 2025 wird bereits rund ein Viertel unseres weltweiten PKW-Absatzes über den Online-Handel gemacht. Mit anderen Worten: Eine moderne Marke wie Mercedes-Benz trifft ihre Kundinnen und Kunden dort, wo sie sind.

 

Rückt damit die Digitalisierung von Vertrieb und Aftersales verstärkt in den Fokus?

Genau. Ich möchte zwei Beispiele nennen. Erstens: Mit dem jüngsten Update des Online-Fahrzeugkonfigurators in mehr als 40 Märkten wurden die Schnelligkeit, die Navigation und das Design für die Nutzerinnen und Nutzer signifikant verbessert. Von der Auswahl im Online-Store bis zur Abholung des Traumwagens beim Mercedes-Benz Partner der Wahl sind es nur wenige Schritte.


Zweitens: Die Digitalisierung des Vertriebs von Mercedes-Benz schliesst natürlich das klassische Werkstatt- und Aftersales-Geschäft ein. Wir gehen davon aus, dass bis 2025 80 Prozent aller Servicetermine online gebucht werden. Die Kundinnen und Kunden erhalten individuelle Angebote und Terminvorschläge, die sie künftig mit nur einem Klick einfach annehmen können. Selbstverständlich werden wir auch weiterhin in die digitale Transformation des Vertriebs und Aftersales investieren. Denn ein nahtloses und bequemes Kundenerlebnis analog wie digital ist für die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden zukünftig entscheidend.


Mit anderen Worten: Konzernweit arbeiten wir tagtäglich intensiv daran, unser Geschäftsmodell zu digitalisieren und zu dekarbonisieren. Denn über allem steht doch, dass die Zukunft sinnstiftend und sinnvoll bleibt. Für uns ist es dabei wichtig, Profitabilität, Mensch und Umwelt in Einklang zu bringen und nachhaltig Verantwortung zu übernehmen.


Das Klischee besagt, IT und Digitalisierung seien Männerdomänen. Wie erleben Sie das in Ihrem Alltag – mit Mitarbeitenden, aber auch mit Kundinnen und Kunden?

Bei Daimler und Mercedes-Benz setzen wir auf die Diversität unserer Mitarbeitenden. Sie spiegeln die Vielfalt unserer Kunden, Lieferantinnen und Investoren wider. In meinem IT-Bereich konnten wir global den Frauenanteil seit meinem Start verdreifachen. Er liegt bei 35 Prozent, und rund ein Viertel der Führungspositionen ist mit Frauen besetzt. Das macht mich stolz, aus verschiedenen Gründen: Es geht dabei in erster Linie um Chancengleichheit. Dann natürlich um Innovationskraft, um Kreativität und auch darum, dass es – meine motivierten Kolleginnen und ich sind die besten Beispiele dafür – grossen Spass machen kann, in vermeintlich «frauenuntypischen» Berufsfeldern oder Branchen zu arbeiten (z. B. Automobil, Raumfahrt, Physik, Mathematik). Für mich ist es wichtig, die Talente in meinem Team auf der ganzen Welt zu fördern – völlig unabhängig vom Geschlecht, da dies nicht der entscheidende Faktor in der digitalen Welt ist. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass es wertvoll ist, Frauen mehr Sichtbarkeit zu geben und sie als Vorbild darin zu bestärken, selbstbewusst zu sein. Dafür ist eine angst- und vorurteilsfreie Kultur zentral. Zudem sind Transparenz und ein rigoroser Ideenaustausch unabdingbar. Wir alle im Team tragen dazu bei, ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsumfeld zu schaffen.


She’s Mercedes ist Partner der LLL. Wie wichtig sind solche Netzwerke für Frauen heute noch? Was nehmen Sie persönlich von solchen Veranstaltungen mit?

Die LLL ist ein sehr starkes, inspirierendes Netzwerk und ich freue mich, dass ich Teil der Konferenz sein darf. Grundsätzlich sind Netzwerke essenziell für den Karriereweg. Das belegen auch diverse Studien. Mit den heute verfügbaren digitalen Medien sind unsere Netzwerke exponentiell angewachsen. Wir können uns im wahrsten Sinne des Wortes mit jedem Menschen weltweit vernetzen – in verschiedenen Ländern, Industrien und Unternehmen. Das birgt viel Potenzial. Für mich sind die Begegnungen und Gespräche immer sehr wertvoll, um meine Sicht der Welt zu komplettieren oder auch zu verändern. Zuletzt vermehrt virtuell, am liebsten aber natürlich im persönlichen Austausch!

Keynote von Sabine Scheunert

Eine eigene Liga

Die League of Leading Ladies (LLL) ist ein Business-Club für Unternehmerinnen und Frauen auf der obersten Führungsebene. Jedes Jahr treffen sich seine Mitglieder zu einer Konferenz mit hochkarätigen Referentinnen aus aller Welt. She’s Mercedes ist stolzer Presenting Sponsor dieser Event-Reihe.