Werbeexperte Peter Brönnimann: Wie aus Reklame gute Werbung wurde

Seit es Automobile gibt, werden sie beworben. Vom ersten Benz Patent-Motorwagen bis zur neuen C-Klasse: Creative Director Peter Brönnimann hat Anzeigen und Spots aus einigen Dekaden mit spitzer Feder analysiert.


28. Mai 2021
 

Sowohl das Automobil als auch die Werbung sind Kinder ihres Zeitgeistes. Schon das allererste Automobil der Welt wurde beworben. Erstaunlicherweise ist der erste Slogan des Benz Motorwagens aus dem Jahr 1886 immer noch aktuell. 

Peter Brönnimann hat sich die Headlines und Sujets vergangener sowie aktueller Mercedes-Benz Werbungen angeschaut
Peter Brönnimann hat sich die Headlines und Sujets vergangener sowie aktueller Mercedes-Benz Werbungen angeschaut.
Peter Brönnimann hat sich die Headlines und Sujets vergangener sowie aktueller Mercedes-Benz Werbungen angeschaut.
Peter Brönnimann hat sich die Headlines und Sujets vergangener sowie aktueller Mercedes-Benz Werbungen angeschaut.

Der vielfach ausgezeichnete Schweizer Kreative Peter Brönnimann hat sich die Headlines und Sujets vergangener sowie aktueller Mercedes-Benz Werbungen angeschaut und sie pointiert in den Kontext des Zeitgeistes gesetzt. Der Werbeexperte weiss, wovon er spricht: Peter Brönnimann wuchs in der Garage seiner Eltern auf und nahm gerne Automotoren und -getriebe auseinander. Da er sie aber nicht mehr zusammensetzen konnte, wurde er Werber. Er ist heute selbstständiger Creative Director und Texter. Zuvor war Peter Brönnimann in diversen internationalen Agenturen tätig, unter anderem auch bei Publicis Communications in Zürich. 

Patent-Motorwagen

«Bequem und absolut gefahrlos!»: die Anzeige für das erste Automobil

Im Januar 1886 meldete Carl Benz ein «Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb» zum Patent an, im Juli 1886 berichteten Zeitungen über die erste Ausfahrt des dreirädrigen Benz Patent-Motorwagens. Und alsbald schaltete Benz (ich nehme an, einen Werbeleiter hatte er damals noch nicht) die erste Anzeige fürs erste Automobil. «Neu! Praktisch! Immer sogleich betriebsfähig! Bequem und absolut gefahrlos!» wurde da getextet.

 

Mit gutem Grund: Bereits damals hatten Menschen Angst vor neuen Technologien. Rund 50 Jahre zuvor galt die Erfindung der Dampflokomotive für viele Menschen als Teufelswerk: Manche Ärzte sagten Passagieren Gehirnkrankheiten voraus, andere behaupteten, durch den Fahrtwind würde man sich Lungenentzündungen holen, die Rauchwolken der Loks würden Vögel töten und Kühe in der Nähe keine Milch mehr geben.

 

Verständlich also, dass Benz bei der Bewerbung des ersten Automobils neben der Bequemlichkeit die Sicherheit hervorhob. Unfälle mit dem ersten Auto waren tatsächlich kaum möglich, der Wagen hatte weniger Pferdestärken als ein Pferd (0,75 PS) und fuhr etwa 12 km/h. Als grösste Gefahr bei den ersten Autos entpuppte sich später übrigens das Rauchen der Besitzer beim Befüllen der Tanks.

 

Benz bewarb das Auto im Text als «vollständigen Ersatz für Wagen mit Pferden». Es «erspart den Kutscher, die teure Ausstattung, Wartung und Unterhaltung der Pferde». Doch obwohl der Patent-Motorwagen über die Grenzen Deutschlands bekannt wurde, blieben die reichen Käufer zunächst skeptisch und bei ihren Pferdekutschen. Selbst Kaiser Wilhelm II. soll gesagt haben, er glaube an das Pferd, das Auto sei nur eine vorübergehende Erscheinung.

 

Zwei Jahre später wollte Benz’ Frau Bertha der Welt beweisen, wozu das Automobil in der Lage war und unternahm ohne das Wissen ihres Mannes die erste Fernfahrt der Geschichte. Weder ausgehender Treibstoff, noch verstopfte Ventile oder durchgescheuerte Kabel konnten ihr Unternehmen stoppen, sie fand für alles eine Lösung, kaufte beispielsweise die Bestände an Leichtbenzin in Apotheken auf und benutzte sie als Treibstoff. Ihre 100-Kilometer-Fahrt gilt als Pioniertat und wurde von Mercedes-Benz vor zwei Jahren anlässlich des internationalen Frauentags grossartig verfilmt. Der fünfminütige Clip ist absolut sehenswert.

Mercedes-Benz Typ260-D

«Schöne Umwege» dank dem ersten Dieselmotor

1936 präsentierte Daimler-Benz den ersten serienmässig gebauten Diesel-Pkw der Welt, den 260 D. Sein grosser Vorteil: die Wirtschaftlichkeit. Der Motor verbrauchte weniger und arbeitete mit dem damals wesentlich günstigeren Treibstoff. Und so berechneten die Mercedes-Benz Werbestrategen, dass man mit dem 260 D fürs gleiche Geld doppelt so weit kommt wie mit einem Benzinmodell. Und die Kreativen dramatisierten das anhand einer Reise von Berlin nach Paris: Statt über Hannover und Köln könnte man fürs gleiche Geld über München, Mailand und Genf nach Paris fahren. Wie viel mondäner das doch ist! Früher nannte man das «Demonstration eines einzigartigen Produktvorteils», heute würde man «Storytelling» sagen. Aber die Idee «schöne Umwege» wäre immer noch gut – beispielsweise um die Reichweite eines Mercedes-EQ mit Elektromotor aufzuzeigen.

Mercedes-Benz 190 SL

Der Mercedes-Benz für den Filmstar in dir

Der Mercedes-Benz, der aussieht, als wäre er für James-Bond-Filme oder Fahrten an der französischen Riviera gemacht, wurde ursprünglich für die USA gebaut. Ein dortiger Importeur wollte einen sportlicheren Mercedes-Benz. Und so wurde am Genfer Autosalon 1955 der 190 SL vorgestellt. Es war der Wagen für die Wirtschaftswunderzeit und er wurde beworben als dynamischer Fahrspass – mit einem überraschend nüchternen und klaren Layout. Für zusätzliche Furore sorgte der 190 SL als Requisit in Spielfilmen und Modezeitschriften an der Seite von Stars wie Gina Lollobrigida, Grace Kelly oder Zsa Zsa Gabor.

 

Erstmals in der Geschichte von Mercedes-Benz wurde 1955 auch ein produktübergreifender Markenslogan eingeführt (in der Anzeige unten links): «Ihr guter Stern auf allen Strassen.» Der Claim wurde 55 Jahre lang in hunderttausenden von Werbemitteln eingesetzt. Bei Mercedes-Benz halten nicht nur die Autos länger, sondern auch die Slogans.

«Unser meistgebrauchtes Ersatzteil»

Die beste von vielen sehr guten Anzeigen

Am 25. Februar 1990 erschien die Anzeige mit dem Mercedes-Stern auf der Motorhaube und der Schlagzeile «Unser meistgebrauchtes Ersatzteil». Ein simples Bild und drei Worte, die zusammen viel aussagen: über die Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, aber auch die Beliebtheit und Begehrlichkeit der Marke – und das auf eine smarte und überraschende Art. Die Anzeige war die erste Arbeit für Mercedes-Benz von Springer & Jacoby und – zumindest im deutschsprachigen Raum – wegweisend für eine neue Art von Kampagnen: weg vom überästhetischen Werbe-Lifestyle à la Miami Vice hin zu mehr Bodenständigkeit, Überraschung, Humor und Cleverness. 

90er-Jahre: Die Mercedes-Werbung bewegt sich

90er-Jahre: Die Mercedes-Werbung bewegt sich 

In den 90ern veränderte sich die Werbung im deutschsprachigen Raum durch den Aufstieg des Privatfernsehens. Innerhalb von nur zehn Jahren verzehnfachte sich die Anzahl Werbefilme auf deutschen Sendern. 

 

Während die meisten Spots noch banaler waren als das Programm der Privatsender, kreierte Springer & Jacoby einen legendären Knaller, «die Ohrfeige»: Ein Mann, der zu spät nach Hause kommt, rechtfertigt sich bei seiner eifersüchtigen Frau, er habe eine Panne gehabt. Worauf diese ihn skeptisch fragt: «Mit deinem Mercedes?» – und ihn ohrfeigt. Einblender: «Laut Pannenstatistik hat ein Mercedes erst nach über 1 Million Kilometer eine Panne.» Und die Zusatzbemerkung: «Lassen Sie sich was Besseres einfallen.» 

 

Zehn Jahre später wechselte Mercedes-Benz die Agentur, doch die Tonalität blieb: Überraschung und Humor, mal clever, mal stilvoll, mal unverschämt. Wie der legendäre Film mit dem Tod: Neben einem Autofahrer sitzt plötzlich der Sensenmann. Dieser weiss um das frühzeitige Ableben des Fahrers, denn auf der Strasse räumt ein Bagger Baumstämme weg. Der Mercedes-Benz rast auf den Baumstamm zu, der Sensenmann schaut zum Fahrer und sagt «Sorry». Doch dann rettet der automatische Bremsassistent dessen Leben. Worauf der Fahrer lächelnd zum Sensenmann sagt: «Sorry.»

 

Jung von Matt kreierte während rund zehn Jahren viele weitere Knüller und Klassiker wie den Racing-Film mit Hamilton und Alonso (und einem Überraschungsgast), «The Invisible Drive» oder «Sonntagsfahrer» mit Schumi, Häkkinen und Beckenbauer. 

Die neue C-Klasse heute

Die neue C-Klasse heute

Ein ganzer Stadtteil im gleichen Rot, die Lampen, die Strassenschilder, die Strasse, alles rot. Mitten auf der Strasse ein japanischer Zen-Garten, darauf der neue Mercedes-Benz und ein junger Typ im Kimono mit einem hellblauen Sandrechen.

 

So skurril sich das liest, so einzigartig und spektakulär sieht diese Inszenierung aus. Und sie passt zum Auto: Das lebendige Rot der Stadt strahlt Sportlichkeit und Lebendigkeit aus, die helle Zen-Welt Ruhe und Gelassenheit. «Ja, aber das merken doch die meisten Menschen nicht», werden die Ja-aber-Leute nun sagen. Stimmt. Aber die meisten Menschen wissen selbst 135 Jahre nach Erfindung des Automobils noch nicht, wie es funktioniert – und fahren trotzdem eines.

Die neue C-Klasse Limousine: Eine neue Form von Komfort
Die neue C-Klasse Limousine: Eine neue Form von Komfort
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