«Es braucht Alltagstauglichkeit und Emotionalität»

Wie kann die Elektromobilität in der Schweiz gefördert werden? Und was behindert ihren Durchbruch hierzulande? Antworten von Mobilitätsforscher Alexander Erath.

7. Dezember 2020


Alexander Erath forscht und lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz und an der ETH Zürich über Zukunft der Mobilität. Persönlich ist der Basler nach der Maxime «Für jede Gelegenheit das jeweils optimale Transportmittel» unterwegs.
 

Herr Erath, wie würden Sie die Mobilität in der Schweiz charakterisieren? Inwiefern unterscheidet sich unser Verhalten von dem in anderen Ländern?
Die Schweiz ist ein reiches Land. Entsprechend viel haben wir hierzulande in unser Strassennetz und den öffentlichen Verkehr investiert – und leisten uns das auch weiterhin. Das macht die Schweiz auf gewisse Art einzigartig. Nur in Japan werden mehr Personenkilometer mit der Bahn zurückgelegt als bei uns. Und es werden laufend mehr, während die Zahl der im motorisierten Individualverkehr pro Person zurückgelegten Kilometer abnimmt.

Trotzdem: Auch in der Schweiz wird gefordert, das eigene Mobilitätsverhalten mit Blick auf die Klimaentwicklung zu überdenken. Was braucht es dazu?
Ja, diese Forderung ist absolut berechtigt, denn noch immer legen wir zwei Drittel unserer Personenkilometer im motorisierten Individualverkehr zurück und verursachen dabei ein Viertel aller in der Schweiz ausgestossenen Treibhausgase. Es braucht den bewussten Entscheid, die eigenen Gewohnheiten zu verändern. Nehmen wir die Wohnsituation. Diese hat grossen Einfluss darauf, wie wir unsere Mobilität gestalten. Mit meinem persönlichen Entscheid für einen Wohn- und Arbeitsort entscheide ich mich auch für gewisse Verkehrsmittel. Gerade junge Leute ziehen heute bewusst in Stadtnähe und kommen gut ohne Auto aus. Diese Urbanisierung prägt die Entwicklung der Mobilität – hierzulande und weltweit.
 

Der Elektromobilität wird bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle zugesprochen. Zu Recht?
Sie hat sicher ihren Anteil. Die Auswechslung der Technologie alleine reicht aber nicht. Es braucht mehr, um die CO2-Emmissionsziele zu erreichen. Wenn in der Schweiz morgen alle Fahrzeuge batterieelektrisch fahren würden, bräuchten wir 15 bis 20 Prozent mehr Strom. Das mag nach wenig klingen, wird uns aber vor enorme Herausforderungen stellen, speziell beim Aufbau der für die Ladestationen notwendigen Netzkapazität. Parallel zum Umstieg auf Elektromobilität muss es uns daher auch gelingen, viel effizienter unterwegs zu sein. In öffentlichen Verkehrsmitteln bleibt jeder vierte Platz leer. Und auch im Auto sitzen in der Schweiz im Schnitt nur 1,56 Personen. Wir müssen uns daher von der Frage leiten lassen: Wie transportieren wir möglichst viele Menschen mit möglichst wenig Energie und Emissionen?
 

Das klingt in der Theorie gut. Doch bei der Elektromobilität treiben heute noch praktische Themen wie Reichweitenangst und Kosten die Konsumenten um.
Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen. Im Zweifelsfall verlässt sich der Mensch in seinem Verhalten lieber auf Bekanntes, als Neues zu riskieren und dabei vielleicht etwas an Bequemlichkeit einzubüssen. Dem kann man aber entgegenwirken.
 

Womit konkret?
Etwa dadurch, dass wir hierzulande die Elektroladeinfrastruktur verbessern. Entscheidend ist dabei, dass das Laden in den Alltag der Menschen integriert ist. Ladestopps mit Kaffeepause unterwegs scheinen mir da kein taugliches Mittel. Die Fahrzeuge müssen dort geladen werden, wo sie sowieso lange rumstehen – am Arbeitsplatz und zuhause. In einem Land, in dem 60 Prozent der Menschen zur Miete wohnen, ist das natürlich nicht ganz einfach umzusetzen. Eine Möglichkeit wäre es, für Mietshäuser Anforderungen für eine minimale Anzahl von Ladestationen in den Garagen zu definieren.
 

Gibt es weitere Hebel, um den Umstieg auf Elektroautos zu erleichtern?
Zentral ist sicher auch der Kaufpreis der Fahrzeuge. Der Unterschied zwischen Elektrofahrzeugen und solchen mit Verbrennungsmotor ist heute einfach noch zu gross. Das hat weniger mit dem Pricing der E-Autos zu tun als damit, dass der Preis für CO2-Emissionen nach wie vor zu tief ist, und daher die Verbrenner zu günstig verkauft und betrieben werden können.

Was müssen die Automobilhersteller tun, um die Transformation hin zur Elektromobilität zu beschleunigen?
Einerseits müssen sie schnellstmöglich ein breites Angebot an verschiedenen Elektroautos anbieten. Die Modelle müssen alltagstauglich und vernünftig im Preis sein. Andererseits braucht es auch in der Elektromobilität mehr Emotionalität. Der Fokus auf ökologische Aspekte als Verkaufsargument früherer Jahre muss abgelegt werden. Mit einer emotionalen Vermarktung der Vorteile dieser Fahrzeuge – bessere Beschleunigung, weniger Lärm, weniger Wartung – und Erlebnissen wie der Formula E kann man Käufer für Elektromodelle begeistern. Da passiert zum Glück schon viel. Die heutige Werbung für E-Fahrzeuge ist mit jener für den ersten Toyota Prius nicht mehr vergleichbar.